frauennetzwerk.jetzt

Der Blog




frauennetzwerk.jetzt

Familienbiographisches Coaching & Trauerbegleitung

Was ist familienbiographisches Coaching und wie geht man mit Trauer um? 

Diese Themen gehen unter die Haut. Bei sommerlichen Temperaturen in La Scala, TCM65, erklärte uns Anja Spohr - Referentin des Abends - warum die eigene Geschichte eine so große Rolle in der Gegenwart spielen kann. Im familienbiografischen Coaching begibt sie sich mit der "hilfesuchenden Person" auf die Spurensuche in der Familiengeschichte, denn die Familie und die Herkunft spielen eine große Rolle bei der Entstehung innerer Konflikte und persönlicher Probleme. 

Epigenetische Markierungen können vererbt werden

Forschungen der Epigenetik (einer Fachdisziplin aus dem Bereich der Biologie) beweisen, dass sich Traumata und Erlebnisse unserer Vorfahren sich auf die nachfolgenden Generationen übertragen und in den Genen gespeichert werden. Ein Beispiel für das epigenetische Gedächtnis ist zum Beispiel jenes der schwangeren Frauen aus dem Hungerwinter 1944/45. Deren Babys waren stark untergewichtig, aber im Laufe des Lebens traten bei diesen heranwachsenden Menschen überdurchschnittlich oft Depressionen, Übergewicht oder Schizopfrenie, sowie Herzprobleme oder Diabetes auf.  (Quelle: https://www.planet-wissen.de/natur/forschung/epigenetik/index.html)

Die Familie als System verstehen

Die Familie ist wie ein Mobilee, in dem jedes Familienmitglied seinen Platz hat. Mithilfe eines Genogramms (ein Familienstammbaum, der über drei oder mehr Genrationen zurückgeht) erkennt man Muster und lernt Zusammenhänge zu verstehen, wer welche Rolle warum wann einnimmt. ritt eine Veränderung ein (z.B. durch Tod, Krankheit, stille Geburt, totgeschwiegene Personen, Kontaktabbruch innerhalb der Famlie, Umzug, Scheidung, Patchwork etc.) gerät das Mobilee ins Wanken. Nun gilt es, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Was passiert dabei? Übernimmt jemand eine Doppelrolle? Gibt es Stellvertreter oder bleibt das Mobilee für immer schief? So beginnt eine spannende Reise in die eigene Familiengeschichte.

Durch Sichtbarkeit wird das Gleichgewicht wieder hergestellt 

Während des Prozesses erklärt der Coach Zusammenhänge und es werden Impulse und Methoden vorgeschlagen, um Verstrickungen aufzulösen, damit Heilung ins System einkehren kann. Denn wenn man dieses komplexe Konstrukt versteht, können die eigenen Ressourcen gestärkt werden und man kann anfangen, sein eigenes Leben zu leben. 

Neugierig? Anja Spohr erzählt gerne mehr! Kontakt: https://spohr-collegium.com/

Mit Trauerbegleitung Unaussprechliches besprechbar machen

Der zweite Teil war dem Thema Trauerbegleitung gewidmet, denn auch Trauer betrifft das Mobilee und das Gleichgewicht. Zudem fehlen einem oft die (richtigen) Worte, aber darauf kommt es nicht primär an, erfahren wir im Laufe des Abends.

Ein Verlust verändert das ganze Leben

Was ist Trauer? Welche Gefühle kommen zum Vorschein und wie äußern sie sich? Dabei muss es sich nicht immer um den Tod eines Menschen handeln, auch die Trennung von einem Partner, Freund/in oder Jobverlust kann einen sehr treffen. Um in das Thema besser hineinzukommen, sprachen wir über verschiedene Gefühle, die alle auf einmal über einen hereinfallen: Unsicherheit, Hilflosigkeit, Sprachlosigkeit, Dankbarkeit, Reue, Aggression, Erleichterung, Einsamkeit, Erlösung, Verzweiflung, Verbundenheit,Neid, Enttäuschung, Zweifel, Hoffnung, Liebe, Sinnlosigkeit, Hass, Orientierungslosigkeit.... Und dies ist keine vollständige Liste.

Neue Erkenntnisse der Forschung

Jeder Mensch trauert anders. Die Trauer ist individuell hinsichtlich Ausprägung, Tempo und Eigenständigkeit. Es gibt hier kein "richtig" oder "falsch", nur stimmig.

Die Trauerforschung ist etwa 30 Jahre alt, erklärt Anja. Dabei gibt es verschiedene Trauer- und Verlustmodelle. Früher ging man eher von Phasen im Trauerprozess aus, heute geht es um Aufgaben in der Trauer und eine Beziehungsorientierung, statt Loslassen (z.B .einer verstorbenen Person):

  • Die Beziehung der Trauernden zu der verstorbenen Person wandelt sich im Lauf der Zeit: es wird ein Gefühl von Nähe, Präsenz und Bindung bewahrt
  • Diese weitergehende Bindung kann sich konstruktiv aber auch belastend auswirken
  • Der verstorbenen Person kann ein neuer Platz im eigenen Leben gegeben werden und damit deren Bedeutsamkeit bewahrt werden

Wenn die Worte fehlen...

Über Tod und Sterben wird nicht gerne gesprochen und so geht man oft der Trauer und damit auch dem trauernden Menschen aus dem Weg. Das passiert nicht böswillig, sondern ist eine Unbeholfenheit und ein Schutzmechanismus. Oft fehlen die (richtigen) Worte. Aber darauf kommt es nicht primär an. Es geht nicht ums Sprechen! Wichtiger ist da zu sein, Verständnis zeigen, jemandem seine Zeit, sein Ohr, und seine Aufmerksamkeit zu schenken. Man muss auch einfach Zuhören und Schweigen können. Anja rät ebenfalls davon ab, Floskeln zu benutzen - versuche lieber ehrlich und authentisch zu sein.

Vielen Dank Anja Spohr!  

Am späten Abend wurde die fröhliche Runde dann doch vom plötzlichen Regen überrascht. Mit vielen wertvollen Werkzeugen ausgestattet verabschiedeten wir uns. VIELEN DANK liebe Anja für Dein enormes Engagement für das Netzwerk und dass Du Dein wertvolles Wissen mit uns geteilt hast!

Weitere Infos und Kontakt: https://spohr-collegium.com/

Literaturhinweise:
  1. Mechthild Batzke: Aus Liebe Ver-rückt
  2. Rainer Adamaszek: Familien-Biografik
  3. Anne Ancelin Schützenberger: Oh, meine Ahnen
  4. Bernhard Kegel: Epigenetik
  5. Christine Kempkes: Mit der Trauer leben lernen
  6. Petra Sutor: Trauer am Arbeitsplatz
  7. Eva Eland: Gebrauchsanweisung gegen Traurigkeit
  8. Alan D. Wolfelt: Lichtblicke in Zeiten der Trauer